Über die Gründe, sich „auf den Weg“ zu machen …
Vor einigen Jahren wurde der Alpe Adria Trail eröffnet, jener Weitwanderweg, der vom Großglockner bis ans Meer führt. Zahlreiche Wanderer haben sich bereits auf den Weg gemacht, um von Österreichs höchstem Berg über die sanften Nockberge, das slowenische Karstgebirge bis ganz in den Süden nach Muggia zu wandern. Einige von ihnen haben dabei auch in unserer „Berggenießer“ Pension Haus Maria übernachtet … und ihre Eindrücke mit mir geteilt.
Und so kommt es, dass auch ich bereits viele Trail-Erinnerungen gesammelt habe, obwohl ich bisher nur jene Etappen erwandert habe, die durch die heimatlichen Nockberge führen. Es sind die vielen Gespräche mit den Weitwanderern, die meine ganz persönliche Alpe Adria Trail Erfahrung ausmachen. Immer ist es ein besonderes Geschenk für mich, sie bei uns willkommen zu heißen und mich mit ihnen über ihre bisherigen Trail-Erlebnisse zu unterhalten. Es ist spannend zu erfahren, wie verschiedenartig die Motive dafür sind, sich mal so eben für einige Tage oder Wochen vom Alltag abzumelden, um sich ganz einfach „auf den Weg“ zu machen.
Eines wird sehr schnell klar: Wer sich für einen Weitwanderweg entscheidet, tut dies ganz bewusst. Es handelt sich um kein spontan eingeschobenes Entspannungswochenende im Grünen oder einen kurzfristig geplanten Stadturlaub. Wer zum Trailer wird, bereitet sich gut darauf vor, studiert Routenverlauf und Etappenbesonderheiten, denkt über Schlafmöglichkeiten und Verpflegung nach, legt jedes zusätzliche Kilo im Rucksack auf die Waage und bezieht in alle Überlegungen natürlich auch die eigenen Wünsche, die in das Wandern gelegt werden, mit ein.
Und genau in diesen ganz persönlichen Beweggründen unterscheidet sich jeder Trailer vom anderen. Es scheint so, als würde dieser lange Weg, der dazu einlädt, unterwegs zu sein, genügend Raum für die unterschiedlichen Sehnsüchte und Erwartungen eines jeden einzelnen bieten, der sich ihn erwählt.
So befindet sich ein soeben pensioniertes Ehepaar mit dem Alpe Adria Trail auf seiner ersten Weitwanderung. Man genießt es, ganz entspannt zu wandern – mit dem Ziel, bis ans Meer zu kommen, jedoch ohne den Druck, möglichst viele Etappen in eine vierzehntägige Urlaubs-Auszeit hineinzuquetschen. Nein, jetzt im Ruhestand hat man Zeit und Muße … und diesen neu gewonnenen Luxus genießt man am besten auf einem Weitwanderweg, der wohl der Inbegriff jeglicher Entschleunigung ist.
Häufig finden sich auch ein paar Gleichgesinnte zusammen, die den Trail als eine Zeit des Miteinanders, der Gemeinsamkeit erfahren. Eine Gruppe von Menschen, die sich jedes Jahr im Frühjahr oder im Herbst eine Woche Auszeit nimmt, um sich ein weiteres Stück am langen Weg zu gönnen. Man wandert miteinander, isst und trinkt gemeinsam, redet und lacht … und teilt neben dem Stück Weg dann eben auch ein Stück Leben miteinander.
Dann ist da natürlich noch der einsame Trailer, für den der sportliche Aspekt des Gehens im Vordergrund steht. Denn auch das kann ein Weitwanderweg sein: Einladung dazu durchzuhalten, an die eigenen Grenzen zu gehen, jede Faser des Körpers zu spüren, wenn sich nach einigen Etappen eine gewisse Müdigkeit einstellt … und trotzdem weiterzumachen. Der „einsame Wolf“ unter den Alpe Adria Trailern sucht sich mitunter den einen oder anderen Umweg, den er in den Trail einbauen kann, um die Kilometerzahl des jeweiligen Tages noch ein wenig zu steigern.
Aber auch jene, die spüren, dass es Zeit wird für eine kleine Auszeit im Leben, kehren bei uns ein. War im bisherigen Leben alles genau getaktet – Schule, Studium, überaus erfolgreiche berufliche Laufbahn –, so blieb da oftmals nur wenig Platz für Pausen. Und plötzlich ist er dann da: der Moment, in dem man merkt, dass die Kraft zu Ende geht … höchste Zeit für eine bewusste Zäsur, für eine Konzentration ganz auf sich selbst. Und so treffe ich mitunter eben auch jene Weitwanderer, die sich einfach auf den Weg machen, ohne zu wissen, wie weit sie gehen werden. Körper und Seele werden schon sagen, wenn es genug ist.
So unterschiedlich die Beweggründe der einzelnen Trailer auch sein mögen, sie alle haben eines gemeinsam: Sie strahlen diese besondere Form der Entspanntheit und Ruhe aus, wie man sie vielleicht nur empfindet, wenn man wandert, um des Wanderns willen, wenn man „auf dem Weg“ und damit immer auch ein wenig „aus der Welt“ ist. Denn hier ist der Weg das Ziel.